An intervention in the exhibition space M54 in Basel, May 2015.
A wall was installed in the corner with an embedded Identity Card for Professional Artists. On the leaflet one could read an text of the artist, a reflexion on Identity (in German).
Ich & Identität
Es geht um Identität. Was ist Identität? Es gibt die zur Identifizierung einer Person. Sie legt Name, Alter, Geschlecht und Landeszugehörigkeit fest. Und es gibt die Identität, welche einem Individuum von seinem Umfeld und von sich selbst zugeschrieben wird. Vielleicht kann man sagen, dass diese Identität durch einen Dialog mit dem Umfeld besteht. Durch ein Frage- und Antwortspiel des Individuums mit dem eigenen Umfeld entsteht ein schillerndes Bild. Eigentlich sind es viele schillernde Bilder, die das Individuum in und auf sich vereint. Dieses Frage- und Antwortspiel ist auch mit Gegenständen Möglich. Man muss es wohl ständig und immer wieder von neuem spielen, um sich zu bestätigen, dass man lebt und nicht schon tot ist. Neulich habe ich mir gedacht, dass ich im Grunde immer versuche die Welt zu begreifen in anbetracht der Tatsache, dass sie weiterbestehen wird, wenn ich schon längst vergangen bin. Das erfordert Mut! Ich versuche, mutig zu sein. Hier stellt sich mir auch die Frage, wie es um die Identität einer Toten bestellt ist. Ich heisse Mimi von Moos. Ich frage mich, ob man ohne Identität existiert und ob man ohne zu existieren, eine Identität besitzen kann. Ich versuche das Unmögliche. Die Vorstellung einer Existenz ohne Identität. Das gibt es nicht, hat Muda gesagt. Aber ich meine, ich sei ein Wesen ohne Identität gewesen. Naja, zumindest in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext. Natürlich war ich die Tochter für meinen Vater und meine Mutter und die Schwester für meinen Bruder. Obwohl ich mir auch da nicht ganz sicher bin. Sonst aber war ich nichts, ausser mein Name, mein Geschlecht, mein Alter und meine Landeszugehörigkeit. Ich besuchte keine Schule, machte keine Ausbildung. Ich war einfach da. Manchmal hatte ich Sex mit einem Mann. Ich machte komische Jobs um ein bisschen Geld zu haben. Ich hatte ein Minimum an Identität.
Damals hielt ich mich ans Material. Ich meine meinen Körper – das Fühlen der Knochen unter der Haut und die Materialien der Welt: Steine, Holz, Knochen und so weiter. Es half mir, mich meiner Existenz zu versichern. Darauf baute ich meine Identität auf. Da ich unter Identitätsmangel, also unter Existenzmangel litt, glitt ich in eine Zwischenwelt, wo ich mich unbemerkt aufhalten konnte in meiner ganzen Unwichtigkeit. Und das war auch wieder schön, geradezu tröstlich. Es ist das tröstliche Gefühl des Penners, der dem Treiben des Alltags zuschaut und ohne Not zu sich sagen kann: Im Grunde ist das alles vollkommen irrelevant, heisse Luft und bald vergessen.
Ich versuche das Unmögliche. Die Vorstellung einer Existenz ohne Identität. Ich frage mich, ob man ohne Identität existiert und ob man ohne zu existieren, eine Identität besitzen kann. Ich heisse Mimi von Moos und habe jetzt einen Künstlerausweis. Darauf steht: „International Identity Card for Professional Artists“ und drunter mein Name und meine Unterschrift und daneben ein Foto von mir.
Da wo nichts bleibt, kann ich anfangen.
Text for the exhibited work «Ich bin Künstlerin»